Wochen gegen Rassismus vom 17. bis 31. März (und immer) „Wurdest du heute schon gehasst?“

Hochdahl · Der Freundeskreis für Flüchtlinge nimmt in diesem Jahr erneut an den „Wochen gegen Rassismus“ teil. Diesmal mit einer Aktion, die provoziert, in Teilen sogar schockiert und zum Nachdenken anregt.

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„Wurdest du heute schon gehasst“ steht in großen Lettern auf einem Plakat an der Fensterfront der Begegnungsstätte „Hand in Hand“ am Europaplatz. Drumherum findet der Betrachter gesammelte Kommentare aus den sogenannten Sozialen Medien wie beispielsweise „Wie viele andere von denen...ins Flugzeug rein und über Syrien rauswerfen...ohne Fallschirm!!!“ und „Erlaubt endlich Teleskop-Schlagstöcke, denn damit kann ich mich gegen Dönermesser und Co. wehren“ oder „Könnten wir bitte ein Seil mit einer Schlinge versehen und mit ihm einen Waldspaziergang machen?!“. An einem anderen Fenster erzählen Menschen ihre persönlichen Begegnungen mit Fremdenhass und Vorurteilen. Hier berichtet unter anderem Jennifer von ihrem „Erlebnis“ während des Autofahrens von einer Gruppe rechtsradikaler Skinheads minutenlang umzingelt und aufs Schlimmste beschimpft worden zu sein. Sie schreibt: „Ich war auf einer Kirmes und musste noch mal los, um etwas einzukaufen. Auf dem Rückweg waren die Straßen bereits wegen der Kirmes gesperrt. Die Autos wurden auf Nebenstraßen umgeleitet, wo viele Menschen, jung und alt, zu Fuß unterwegs waren. Daher musste man sehr langsam fahren. Plötzlich tauchte eine Gruppe von Skinheads auf und umzingelte mein Auto. Sie fingen an, gegen die Scheiben zu klopfen und mich zu beschimpfen.

Ich versuchte, sie zu ignorieren, meine Fassung zu bewahren und nicht sofort emotional zu werden. Ich hoffte einfach, dass sie von meinem Auto ablassen und weitergehen würden. Doch was mich am meisten schockierte, war, dass niemand reagierte. Polizisten, die den Verkehr umgeleitet haben, und so viele andere Menschen – niemand hat eingegriffen. Sie haben entweder zugesehen oder ganz bewusst weggeschaut.

Es ging vielleicht nur fünf Minuten so, aber in dieser kurzen Zeit hatte ich wirklich Angst, dass sie mein Auto beschädigen oder mich gewaltsam aus dem Auto ziehen würden. Alle waren jung, schätzungsweise zwischen 16 und 25 Jahren alt, trugen Glatzen, schwarze Hosen und Kapuzenpullis. Die Beleidigungen, die sie mir entgegenwarfen, waren nicht nur extrem respektlos, sondern auch rassistisch. Sie riefen Dinge wie ‚China-Fotze‘, ‚Geh zurück, wo du hergekommen bist‘.

Es war offensichtlich, dass sie mich allein aufgrund meiner Herkunft angreifen wollten, und es war absolut erschreckend, dass niemand – nicht einmal die Polizisten, die dafür zuständig waren, für die Sicherheit auf der Straße zu sorgen – in irgendeiner Weise eingegriffen hat.“

„Unser Ziel mit dieser Aktion ist, Rassismus sichtbar zu machen – sowohl die Anonymität im Internet als auch den offenen Rassismus, der noch immer in unserem Alltag vorkommt“, erklärt Lyra Helling vom Freundeskreis für Flüchtlinge. Auch sie hat schon Rassismus am eigenen Leib erfahren. „Ich stand auf dem Bürgersteig und schaute meinen beiden Kindern nach, die zum Spielplatz liefen und plötzlich rief eine Frau, die dort des Weges ging, ‚verpiss‘ dich, du hässliche Kanacken-Schlampe‘. Ich war im ersten Moment total perplex und war mir zunächst auch gar nicht sicher, wen genau sie denn jetzt eigentlich meinte. Das kam so völlig unvermittelt aus dem Off“, erinnert sie sich an den Vorfall.

Rassismus führt zu Ausgrenzung und Gewalt. Er ist nicht nur ein Problem in sozialen Medien, sondern, wie die Aktion des Freundeskreises eindrücklich zeigt, auch direkt in unserer Gesellschaft spürbar – in Schulen, auf der Straße und am Arbeitsplatz. Das Schlimme an diesen traurigen Alltagssituationen ist, dass sie leider oftmals ohne Folgen bleiben. „Deshalb ist es wichtig, dass wir über Rassismus aufklären, weil er offenbar mittlerweile - auch mit Blick auf die politische Entwicklung - gesellschaftstauglich geworden ist. Durch unsere Aktion möchten wir mit den Menschen ins Gespräch kommen, uns ihre Geschichten und Meinungen zum Thema anhören und Tipps geben zum aktiven Handeln gegen Rassismus.“

Hierbei geht es auch um Zivilcourage und dass man Menschen zu Hilfe eilt oder Hilfe ruft, die sich beispielsweise in so einer Situation wie Jennifer befinden, die eingangs mit ihrer Geschichte erwähnt wurde. „Ich denke, weil wir hier eigentlich in einer kulturellen Vielfalt überwiegend friedlich miteinander leben, ist man dann in solchen Situationen, in denen einem der Fremdenhass förmlich ins Gesicht geschleudert wird, im ersten Moment überfordert - weil man nicht damit rechnet.“ Um dieses Problem an der Wurzel zu packen, plant der Freundeskreis einen Workshop zum Thema „Mehr Mut zur Zivilcourage“. Weitere Informationen dazu werden noch folgen. „Wir führen dazu bereits Gespräche mit der Beratungsstelle gegen Alltags-Rassismus des Kreises Mettmann“, so Lyra Helling. Weitere Infos dazu gibt es auf https://gegen-alltagsrassismus.org/

(nic)