Freundeskreis für Flüchtlinge informiert Ein sicherer Austauschraum für Flüchtlinge in Erkrath

Hochdahl · Ein bewölkter Samstag im Februar, 10 Uhr morgens. Nach und nach strömen Menschen ins Roncallihaus. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern: Syrien, Türkei, Ukraine, Irak, Iran, Afghanistan, Nigeria, Guinea… Was sie verbindet: Sie mussten Alle ihre Herkunftsländer verlassen und sind schlussendlich in Erkrath angekommen.

Foto: Freundeskreis für Flüchtlinge

Nun möchten sie sich über ihren Fluchthintergrund, über ihre Reise nach Europa und über das neue Leben in Deutschland austauschen. Teilweise kennen sich die Flüchtlinge untereinander; teilweise sind sie sich noch fremd. Dieser Raum ist als ein sicherer Begegnungsraum gedacht: Hier können die Geflüchtete ihre Geschichten offen erzählen – von Menschen umgeben, die diese Erfahrungen teilen.

Das ganztägige Treffen wurde von dem Freundeskreis für Flüchtlinge in Erkrath e.V. organisiert, im Rahmen des Projekts „Wir halten zusammen – wir kommen gemeinsam an“, das von der UNO-Flüchtlingshilfe gefördert wird. „Wir wollten einen Diskussionsraum für Geflüchtete eröffnen, wo sie gemeinsam über die Fluchterfahrung reflektieren können“, erzählt Lyralyn Helling vom Freundeskreis für Flüchtlinge in Erkrath e.V. – „Unabhängig davon, aus welchem Land und aus welchem Grund die Menschen geflüchtet sind – alle haben Schreckliches erfahren müssen. Auf der strukturellen Ebene wird in Deutschland zwischen Flüchtlingen je nach Herkunftsland unterschieden – wir wollen dies nicht tun. Das Ziel des Workshops war, den Austausch unter den Geflüchteten anzuregen, damit sie sich als Gleichgesinnte anerkennen und sich solidarisch in ihrem Schicksal gegenseitig unterstützen können“.

Das Treffen leitete Samer Al Najjar ein – ein syrischer Autor, der 2014 nach Deutschland geflüchtet ist. Seitdem hat er sein Studium in Germanistik und Politikwissenschaft in Düsseldorf abgeschlossen und vor Kurzem sein neustes Buch auf Deutsch veröffentlicht. Samer Al Najjar eröffnete die Runde mit einer kleinen Lesung seiner eigenen Texte. Die gesprochenen Worte resonieren stark mit den Zuhörenden. Denn egal, woher man kommt, sind die in den Texten ausgesprochenen Gefühle für alle bekannt. Die Fremdheit – erstmal in seinem eigenen Herkunftsland, das auf einmal keine Sicherheit mehr bietet; dann auf dem gefährlichen Fluchtweg, und schließlich in Deutschland, wo alles anders ist. Die Sehnsucht nach einem Zuhause, das vielleicht nicht mehr existiert, und die Suche nach einer neuen Heimat fern von allem, was vertraut ist. Schnell kommen die Teilnehmer*innen in eine Diskussion: Was bedeutet eigentlich Heimat? Ist es möglich, das heimische Gefühl in Deutschland zu finden? Die Diskussion wurde in mehreren Sprachen geführt, und die Teilnehmer*innen unterstützen sich gegenseitig, um die Gedanken auf Deutsch adäquat auszudrucken.

Den Geflüchteten aus der Ukraine standen Dolmetscher*innen zur Verfügung. „Sicherheit ist sehr wichtig – aber die Anerkennung als Mensch und die Möglichkeit, eigenes Potenzial zu entfalten, spielt eine gleichwertige Rolle“, sagt ein Teilnehmer. Einige äußerten jedoch zugleich ihren Frust, nach der Flucht von Null anfangen zu müssen: Sie haben in ihren Herkunftsländern studiert, doch die Bildungsabschlüsse werden in Deutschland nicht anerkannt. Viele andere berichteten, dass obwohl die Heimatstadt für immer in ihren Herzen bleiben wird, sie bereit sind, diese aufzugeben, damit ihre Kinder hier eine gute Lebenschance bekommen.

Die Kinder waren auch bei dem Workshop dabei und wurden von Ehrenamtlichen betreut, während die Eltern diskutieren. Nach einem gemeinsamen Mittagessen wurde die Teilnehmer*innen in Kleingruppen aufgeteilt, wo der Austausch fortsetzt wurde: zwei gemischte Gruppen und eine Frauengruppe.

Die kleinen Gruppen wurden von den Flüchtlingen selbst moderiert. „Es hat für uns mehr Sinn gemacht, die Gruppenmoderation an die Menschen zu übergeben, die selbst eine Fluchterfahrung haben“, erklärt Ewa Łączkowska vom Freundeskreis für Flüchtlinge. „Wir können das, was die Menschen auf der Flucht erlebt haben, nicht ansatzweise nachvollziehen. Wir sind aber auch einfach beeindruckt von den Fähigkeiten der Geflüchteten, die wir begleiten und wollten ihnen eine Chance geben, ihre Potenziale zu nutzen.“

In den Kleingruppen gab es die Möglichkeit, die Fluchtgeschichten zu teilen und über Hoffnungen für die Herkunftsländer und für das Leben in Deutschland zu sprechen. Es wurde dabei emotional: Die Fluchtschicksale sind nicht einfach zu erzählen. Für diesen Teil des Workshops stand deswegen auch ein Seelsorger zur Verfügung, mit dem die Geflüchteten bei Bedarf sprechen konnten. Im Nachhinein erzählt Dieter Thelen: „Wir sind beeindruckt davon, wie sich die Menschen geöffnet haben. Das zeigt ein großes Vertrauen gegenüber dem Freundeskreis. Zugleich merken wir jedoch, wie groß der Bedarf für einen Austausch und für geeignete Angebote ist, wo die Traumata der Flucht verarbeitet werden könnten. Dafür braucht es professionelle Begleitung, die wir als ehrenamtlicher Verein nicht leisten können. Wir wissen auch, wie lang die Wartelisten für psychologische Hilfe für Flüchtlinge sind“.

Zum Abschluss kamen alle Teilnehmer*innen zusammen, um die allgemeinen Eindrücke von dem Workshop zu teilen. Es war nicht immer einfach, eigene Geschichten, Schicksale und Hoffnungen zu teilen, aber als sich alle zusammen gesetzt haben, bemerkten die Teilnehmer: etwas hat sich verändert. Einige Täußern ihre Dankbarkeit für die Austauschmöglichkeit. Für viele war es das erste Mal, dass sie in so einem vertrauten Raum über ihre Erlebnisse sprechen konnten. „Wir sind alle anders und haben anderes erlebt. Aber ich denke, gemeinsam darüber zu sprechen, sich dabei zuzuhören, hat mit uns allen etwas gemacht. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diesen Austausch erleben durfte“, resümiert Dieter Thelen. „Es war schön zu sehen, wie alle in diesem Raum aufeinander geachtet haben. Wir sind eine Gemeinschaft, und das habe ich hier wirklich gespürt.“

Dieser Workshop gilt für den Freundeskreis als eine Kick-Off-Veranstaltung: Das Austauschangebot sollte im Rahmen regelmäßiger Treffen fortgeführt werden. „Wir möchten Begegnungsräume für Geflüchtete verstetigen, wo sie über alle sie betreffenden Themen diskutieren können, sich gegenseitig beim Ankommen in Deutschland unterstützen können, und dabei die deutsche Sprache gemeinsam üben“, sagt Lyralyn Helling. „Wir sind froh zu sehen, dass die Flüchtlinge eine große Solidarität zeigen und immer bereit sind, andere Menschen mit Rat und Tat zu unterstützen.“

Das regelmäßige Austauschangebot wird für alle mit Fluchthintergrund offen sein. Bei Interesse melden Sie sich bitte bei Lyralyn Helling (Mail lyralyn.helling@fkfe.de oder per Telefon 0177/1431269).