Ein Schicksal von vielen
Hochdahl · Der Blick ist verklärt, die Gedanken schweifen ab. Naseem Al Nablsi hat die Bilder seiner schweren Reise noch vor Augen, als er von seiner Flucht von Syrien ins sichere Deutschland erzählt.
(tb) Ihm fällt das Erzählen sichtlich schwer, was nicht an der deutschen Sprache, sondern an den Bildern liegt, die ihm auch nach Monaten noch real erscheinen. Vor gut einem Jahr ist der 32jährige Syrer im Erstaufnahmelager in Burbach angekommen. Über drei Monate hat sein beschwerlicher Weg gedauert und den Familienvater seine gesamten Ersparnisse gekostet. "Ich musste fliehen, weil überall um mich herum der Tod war. Jeden Tag kamen Flugzeuge und schmissen Bomben ab. Meine Universität wurde zerstört. Mein Laden für Damenbekleidung zerbombt. Leben war im meinem Dorf Daraá nicht mehr möglich."
Mit dem Boot und zahlreichen weiteren Flüchtlingen ging es für Naseem einer ungewissen Zukunft entgegen. An der türkischen Küste strandete der Kriegsflüchtling, bis es für ihn zu Fuß weiter durch Ungarn und Österreich ging. Erst in Deutschland konnte der Jurastudent durchatmen. Für seine Frau und die beiden gemeinsamen Söhne (zwei und fünf Jahre) eine Zeit des hoffnungsvollen Wartens. "Sie mussten zurück bleiben. Wir konnten nicht gemeinsam fliehen, weil das Geld dafür nicht ausreichte", erzählt Naseem deutlich ergriffen.
Nach Burbach ging es für den jungen Mann weiter ins Übergangsheim nach Hochdahl. Dort fand er Freunde, Vertraute, Gleichgesinnte. Eine große Stütze war die Stadt und deren hauptamtliche Flüchtlingsbeauftragte Rachida El Khabbachi. "Ich habe hier Menschen getroffen, die sich Mühe mit mir gegeben haben. Hier wurde ich verstanden und akzeptiert." Trotzdem fehlte ein wichtiger Teil im Leben des Syrers: Seine Familie. "Ich habe jeden Tag geweint. Konnte gar nicht aufhören. Erstmalig hab ich meine Frau im Fernsehen wieder gesehen. Als in Ungarn die Grenzen geschlossen wurden, sah ich meine Frau und meinen jüngsten Sohn in den Nachrichten. Dieser Moment war unbeschreiblich."
Von diesem Moment an wusste Naseem, dass sein Leben eine Zukunft hat. "Seit September vergangenen Jahres ist meine Frau sicher mit unseren Söhnen in Deutschland. Erst lebten sie im Übergangslager in Essen, nun haben wir eine Wohnung in Erkrath bekommen." 85 Quadratmeter darf die Familie nun ihr Eigen nennen. Die Mitarbeiter des Sozialamtes der Stadt Erkrath haben unermüdlich nach freien Wohnflächen gesucht und an der Schimmelbuschstraße eine passende Immobilie gefunden. Mittlerweile haben es auch weitere Familienmitglieder nach Deutschland geschafft. "Mein Bruder Kasem ist derzeit zu Besuch. Er ist eigentlich im Süden Deutschlands untergebracht." Die Schwiegermutter samt Schwager und Schwägerin leben in Köln.
"Die Schwester meiner Frau wurde von einem Bombensplitter in den Rücken getroffen und ist seitdem gelähmt. Sie musste den ganzen Weg aus Syrien getragen werden. Viele Menschen haben geholfen." Für Naseem Al Nablsi steht fest, dass er Syrien nicht mehr wieder sehen möchte. "Deutschland ist meine Zukunft. Hier will ich leben, wohnen, arbeiten und mir mit meiner Familie ein neues Heim schaffen."
Das Interview konnte nur durch die freundliche Unterstützung der Flüchtlingsbeauftragten Rachida El Khabbachi und dem Sozialamt Erkrath stattfinden.
Info:
Die Stadt Erkrath ist auf Ihre Hilfe angewiesen: Noch immer fehlen Wohnflächen für zugewiesene Asylfamilien. Haben Sie Wohnungen freistehen oder kennen freie Immobilien? Infos an sebastian.voellings@erkrath.de oder unter Telefon 0211/24076404.