"Zuhören ist alles"
Erkrath/Düsseldorf · Das Flugzeugunglück in den Französischen Alpen hat die Angehörigen der Opfer in eine Schockstarre versetzt. Wie können Menschen ein solch schreckliches Erlebnis verarbeiten? Welche Hilfe können Trauerbegleiter und Seelsorger leisten?
Wir sprachen mit Ulrike Herwald (51) von der Hospizbewegung Hilden.
Als langjährige Mitarbeiterin der Hospizbewegung haben Sie viel Erfahrung im Umgang mit Trauernden. Was können Trauerbegleiter in einem Fall wie dem Flugabsturz tun?
Ulrike Herwald: Die Art der Trauer, die die Angehörigen der Opfer von Flug 4U9525 aktuell erfahren, unterscheidet sich sehr stark von der Trauer, die Angehörige von Menschen empfinden, die etwa nach einer Krankheit oder im hohen Alter sterben. Die Trauer nach einem schweren Schock wird auch als erschwerte Trauer bezeichnet, zum Beispiel wenn kein Leichnam gefunden wird oder nach einem Suizid. Eine Begleitung, wie wir sie anbieten, ist dafür nicht ausreichend. Hier bedarf es einer therapeutischen Betreuung. Menschen, die Angehörigen solcher Tragödien helfen wollen, dürfen ihre Fähigkeiten nicht überschätzen.
Was können die entsprechend geschulten Trauerarbeiter jetzt konkret tun?
Herwald: Vor allem eines: aufmerksam Zuhören. Es geht darum zu signalisieren, dass jemand da ist, der aufrichtig mitfühlt und sich interessiert. Gleichzeitig dürfen die Begleiter nicht zu sehr emotional Anteil nehmen. Mitfühlen, aber nicht das Leid empfinden — das ist ein schmaler Grad. Nach einem solchen Einsatz, bekommen Trauerbegleiter und Seelsorger ihrerseits Unterstützung.
Was können die Angehörigen von sich aus tun, um das Erlebnis zu verarbeiten?
Herwald: Es gibt keine Checkliste, die man abarbeiten könnte. Natürlich gibt es verschiedene Modelle, die von Therapeuten erstellt worden sind. Die Übertragung dieser theoretischen Modelle in die Praxis ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Der Weg zur Verarbeitung muss auch kein gerader Weg sein, sondern kann auch einem Labyrinth gleichen, in dem man einen Schritt zurückgehen oder Wege zweimal gehen muss. Es mag wie ein Allgemeinplatz klingen, aber Trauer dauert.
Welche Bedeutung hat der Besuch der Unfallstelle für die Angehörigen? Kann man nur so mit dem Ereignis abschließen?
Herwald: Der Besuch der Unfallstelle ist weniger ein Abschluss, sondern mehr ein erster Schritt. Es ist ein Schritt hin zum Verstehen und Begreifen. Der Mensch muss die Dinge mit eigenen Augen sehen, um die Realität zu akzeptieren. Viele Menschen verspüren das Bedürfnis, dem letzten Moment des geliebten Verstorbenen möglichst nahe zu kommen. Hinzu kommt bei einigen der Wunsch, sich mit anderen Angehörigen auszutauschen.