Autorin Claudia Birkheuer liest in der JVA Gelsenkirchen Hinter geöffneten Türen
Hochdahl · Die Einladung zur Lesung aus ihrem neuen Roman stand bereits im Juni fest. Bereichsleiterin Marisa Schräder der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen bat Claudia Birkheuer nach ihrem Besuch der Lesung bei Hand-in-Hand in Erkrath um einen literarischen Auftritt im Offenen Vollzug der Frauen im November bei einem Weihnachtsbasar. Natürlich nahm die Autorin diese Einladung gerne an.
Der ungewöhnliche Ort der Veranstaltung ließ Birkheuer jedoch nachdenken. Was würde ihr dort begegnen? Da sie sich nicht gerne in vollends geschlossenen Räumen aufhält, hatte sie ein leichtes Unbehagen bei der Vorbereitung der Lesung. Die Überraschung war jedoch groß, als sie am Wochenende mit dem Auto vor die Vollzugsanstalt fuhr. Die rote Tür des Gebäudes stand weit offen und draußen warteten bereits die ersten Besucher. Fragend und erstaunt trat sie ein und begrüßte die Bereichsleiterin, die sie zunächst mit den Gepflogenheiten dieses Gefängnis für Frauen im Offenen Vollzug einwies.
Hier sitzen Frauen ein, die Haftstrafen von mehreren Wochen bis zu lebenslang verbüßen. Tagsüber haben die Inhaftierten ihre Arbeit intern zu verrichten, die für den Erhalt und für die Unterstützung der Einrichtung wichtig ist. Von 16 bis 21 Uhr jedoch dürfen alle geeigneten Frauen die Anstalt verlassen, ihre Familien besuchen oder Berufen nachgehen. Auch an den Wochenenden dürfen sie heraus und ihre Angehörigen aufsuchen.
Birkheuer stellte die Frage „Was ist, wenn eine der Frauen nicht zurückkehrt?“ Marisa Schräder: „Dann ergeht eine Fahndungsmitteilung an die Polizei.“ Birkheuer blieb neugierig. „Bekommen die Frauen anschließend eine verlängerte Haftstrafe wegen Flucht?“ Marisa Schräder: „Flucht ist keine Straftat, sondern die natürliche Bewegung des Menschen. Diese wird nicht geahndet.“
Anschließend gingen sie durch die Räumlichkeiten und die Bereichsleiterin zeigte der Autorin die wunderbaren von den Frauen über Wochen selbst hergestellten Weihnachtsobjekte für den Basar. Fünfzig dekorative Adventskränze, viele Adventskalender, niedliche Stricktiere, Schals und kleine, fantasievolle Geschenke wurden zum Kauf angeboten.
Um 11 Uhr begann dann die Lesung aus dem neuen Roman der Autorin. In einem eigens dafür hergerichteten Raum kamen viele Gäste und lauschten Birkheuer begeistert ihrem Vortrag, der immer wieder einem Hörspiel gleicht. Zu einem späteren Zeitpunkt las Birkheuer noch politische, humorvolle und philosophische Gedichte aus ihrem Lyrikband. Am Ende waren alle glücklich über diesen so erfolgreichen und gelungenen Tag.