Theaternachlese Von der ersten Sekunde an gefesselt
Alt-Erkrath · Es ist immer etwas Besonderes, wenn das Düsseldorfer Kom(m)ödchen sich aus unserer Nachbarstadt auf den Weg in die Erkrather Stadthalle begibt. Diesmal kamen sie zum Abschluss der Kabarettsaison 2023/2024 mit ihrem Bulli...
Die Stadthalle Erkrath musste nicht beheizt werden, denn sie war ausverkauft und das Publikum strahlte so viel menschliche Wärme aus, dass es nicht notwendig war. Der erste Einspieler mit Lena (Maike Kühl), und schon war das Publikum von der ersten Sekunde an vereinnahmt und gefesselt. „Bulli. Ein Sommermärchen“ bot beste Unterhaltung von der ersten bis zu letzten Minute. Schräge Figuren, skurrile Charaktere, gescheite und gescheiterte Existenzen treffen in diesem Stück rund um einen alten VW-Bus aufeinander und gehen gemeinsam zurück zu der Stelle, wo alle im Leben irgendwie falsch abgebogen sind.
Zum Geburtstag von Lena kommen fünf Freunde aus der Jugendzeit zusammen, um darüber zu philosophieren, was aus Ihren Jugendträumen geworden ist. Steuerberater Jörg (Daniel Graf), einst „der schönste Mann von Flingern“ (glaubt er), ist verheiratet mit Lena (Maike Kühl), die sich gefallen lassen muss, als „Greta Thunberg im Klimakterium“ tituliert zu werden. Beide sind verbunden durch den Doppelnamen Korbmacher-Flöns und die gemeinsame Tochter Jenny. Diese hat sie allerdings gerade wegen „mutwilliger Zerstörung der Erde“ verklagt. Hajo (Martin Maier-Bode), Rockbeauftragter in Dormagen, wo er auf dem Amt sitzt und der von Zeit zu Zeit den radikalen Weg geht, indem er sich krankschreiben lässt. Heiko Seidel gibt es als gegensätzlichen Doppelpack, als smarten Berliner Start-up-Coach und trottelig-verträumten Ornithologen, der dem letzten Haselhuhn hinterher hechelt.
Beim aktuellen jährlichen Treffen erzählt Lena von der Klage ihrer Tochter und dass sie, Lena, beschlossen habe, für sich die Konsequenzen zu ziehen und ihr Leben umweltschonend radikal umzustellen. Außerdem wolle sie das alleine machen, da ihr Ehemann ihr neues Leben nicht mitmachen will. Sie hatte den Familien-SUV verkauft und dafür in einen alten Bulli einen Elektromotor einbauen lassen. Sie will zurück nach Portugal, wo sie mit den Freunden vor 30 Jahren war, wo sie alle keinen Luxus hatten und ein freies Leben. Die Frage: An welchem Punkt im Leben haben sie sich für die falsche Richtung entschieden und was wäre die Alternativen gewesen. Nach ihrem Treffen stellen alle fest, dass sich im Laufe der Jahre zwischen Wunsch und Realität ein großes Defizit entwickelt hat.
Untermalt wurde der Abend durch Gesangseinlagen mit witzigen, aber auch gesellschaftskritischen Texten. Bezaubernd und großartig gemacht, ist ganz zum Schluss ein lebensgroßes Schattenspiel, das zeigt, wie vielfältig die Erde ist, wie artenreich das Leben auf ihr. So gut gemacht, dass man mit großen Augen auf die Bühne starrt. Der Kommentator erzählt über das, was man sieht, wie die Menschen durch Ackerbau und Jagd sich auf der Erde verteilen und jeder nach seinen Fähigkeiten seinen Weg findet. „Und die, die kein Bier brauen konnten, zogen nach Köln“
Was man in der Stadthalle Erkrath in dieser Saison lange nicht gehört hatte, war ein ohrenbetäubender Klatschmarsch und Standing Ovation. Das haben sich die Akteure vom Düsseldorfer Kom(m)ödchen reichlich verdient.