Kontakt zur Familie halten Wird es trotz moderner Kommunikationsmittel immer unpersönlicher?
Viele Familien befinden sich derzeit in der Mitte eines Paradoxons. Die technologischen Fortschritte sollten es erleichtern, den regelmäßigen Kontakt zur Familie zu halten, dennoch beklagen sich die Mitglieder von immer mehr Familien darüber, dass alles unpersönlicher, unwichtiger und kälter wird.
In der digitalisierten Welt entsteht oft der Eindruck, dass jeder bestens vernetzt und immer erreichbar ist. Die Freunde in den sozialen Medien gehen in die Tausende und dennoch lassen sich im Laufe des Jahres die wenigsten davon blicken. Der Kontakt im virtuellen Raum wird als Ersatz für echte, zwischenmenschliche Interaktionen genutzt und viel zu spät fällt den meisten auf, dass es sich dabei einfach nicht um das Gleiche handelt.
Ist es die Einfachheit, mit der heute Nachrichten, Bilder oder kurze Videos versendet werden, die dafür sorgt, dass es bei modernen zwischenmenschlichen Interaktionen kaum mehr um etwas mit wahrem Mehrwert geht? Ein Bild vom Essen, das an die Eltern oder an die Geschwister geschickt wird, kann kaum ein persönliches Gespräch, in dem es um wirklich bewegende Dinge geht, ersetzen. Dennoch ist es verlockend, das Kontakt halten mit derartigen Dingen abzutun. Viele Familien stehen tatsächlich in engem Kontakt zueinander, doch wirklich zu sagen haben sie sich nichts und das Gefühl der Zugehörigkeit fehlt manchmal. Bedeutet das also, je einfacher die Kommunikation wird, desto inhaltsloser werden die geteilten Nachrichten? Wahrscheinlich muss dieser Behauptung zu gewissen Teilen zugestimmt werden, denn wer kann sich vorstellen, dass früher, zu Zeiten des Briefes, Papier, Tinte und das wertvollste, die eigene Zeit, einfach so verschwendet wurden?
Waren Familien früher kommunikativ besser aufgestellt?
Dass Familien früher eine stärkere Einheit bildeten, das ist kein Geheimnis. Heute ziehen die Kinder immer früher aus dem Elternhaus aus und gehen in die weite Ferne, zuerst, um zu studieren und dann, um zu arbeiten. Das ist natürlich nicht bei allen Familien der Fall, doch bei den meisten ist das die Realität. Die wenige Zeit, die mit den Eltern verbracht wird, bekommt dadurch einen besonderen Stellenwert. Gemeint ist damit die Zeit, in der die Familie wirklich körperlich präsent ist und sich in die Augen schauen kann. Leider können Smileys, Emoticons und GIFs diese Zeit nicht gleichwertig ersetzen, weshalb sich jeder die Frage stellen sollte, welcher Wert den modernen Kommunikationsmitteln zukommt.Muss nun alles negativ gesehen werden? Mitnichten! Schließlich geht es um die Balance in der Kommunikation mit der Familie. Nicht jedes Gespräch kann von einer bestimmten Würde, einer Gravitas und der damit verbundenen Gewichtung bestimmt sein. Oftmals tut es einer Mutter schon gut, zu wissen, dass es dem Kind gut geht, selbst, wenn dieses nur ein kurzes Lebenszeichen sendet. Ja, die beinahe unendlichen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme stellen eine Gefahr dar und überfordern so manchen, doch es ergeben sich aus Chancen daraus, wenn man weiß, wie sie zu nutzen sind.
Die Balance ist der Schlüssel zur Bindung
So manches Meeting wäre besser mit einer E-Mail abgetan worden und nicht jede Textnachricht gibt den Inhalt für eine Sprachnachricht her. Natürlich macht es Spaß, mit den vielen Möglichkeiten, die sich heute präsentieren, zu experimentieren, doch wenn es darauf ankommt, dann sollte das richtige Kommunikationsmittel für eine Nachricht gewählt werden. Hier ist es an der Zeit, eine Lanze für die Telefonie zu brechen. So mancher sollte sich gelegentlich einen Ruck geben und anstelle der Kurznachricht zum Hörer greifen. In der Stimme liegen Emotionen und im Gespräch lassen sich besonders komplexe Sachverhalte wesentlich besser wiedergeben.Ein heutiger Handyvertrag mit Flatrate kommt mit unbegrenzten Freiminuten. Nutzen tun diese Minuten heute die wenigsten, wichtiger ist das Datenvolumen, das mobiles Surfen erlaubt. Für viele, gerade für jüngere Generationen, ist das Telefonieren mit etwas Unangenehmen verbunden. Leider gilt das nicht nur bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber oder mit Behörden, sondern immer mehr auch bei privaten Gesprächen mit der Familie. Gibt es eine Möglichkeit, etwas schneller und vermeintlich präziser zu sagen, so wird diese genutzt. Bei einem Telefonat innerhalb der Familie geht es aber nicht nur um die reine Informationsübermittlung, es geht auch um das Plaudern und darum, gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen. Wer telefoniert, der nimmt sich Zeit. Ein Gespräch ist in der heutigen Zeit beinahe wie ein kleines Geschenk der Zuneigung zu verstehen. Zwei Menschen nehmen sich Zeit füreinander. Dank heutiger Handyverträge und der Möglichkeiten, die moderne Smartphones bieten, können problemlos mehrere Menschen an einem Gespräch teilnehmen. Wie wäre es, wenn die Familie einmal in der Woche, immer zum gleichen Zeitpunkt, zusammenkommt, und sich auf diesem Wege trifft. Die heutigen Formen der Kommunikation machen es problemlos möglich, jedwede Form von Distanz zu überwinden, was es allerdings braucht, das ist Initiative und die Entscheidung, sich nicht immer für den Weg des geringsten Widerstands zu entscheiden.
Quantität gegen Qualität
Wer hatte nicht schon einmal das Gefühl, dass man zwar mit einer Person dauerhaft in Kontakt steht, sich aber nicht wirklich etwas zu sagen hat? Täglich sendet man sich Reels oder tauscht Belanglosigkeiten aus, doch die wirklichen Inhalte fehlen. Tatsächlich haben die jüngeren Generationen Probleme damit, langfristige und tiefergehende Beziehungen aufzubauen und diese zu erhalten. Was sind die Gründe dafür? Sind es die heutigen Medien und die Kommunikationsmittel, die dazu beitragen oder sogar die Ursache dafür sind?Es muss ein Weg gefunden werden, wie ältere und jüngere Mitglieder einer Familie Kontakt halten können. Hier müssen gerade die Jüngeren, die digital natives, Initiative zeigen und die Lücken schließen. Moderne Kommunikation erscheint so leicht, doch sie ist es nicht. Das Kommunizieren ist eine Fähigkeit, an der unentwegt gearbeitet werden muss. Wer sich zur Abwechslung für den langen Weg entscheidet, der wird in den meisten Fällen positiv überrascht.