Mentale Gesundheit Das gute Leben ist ein Prozess, kein Zustand des Seins
Alt-Erkrath · Haben wir den Draht zu uns selbst verloren? Spielen wir in unserem Leben in vielen Alltagssituationen nur eine Rolle? Sind wir mehr Schauspieler als unser authentisches Ich?
Vermutlich können viele von uns, wenn sie einmal ehrlich zu sich selbst sind, die drei Fragen mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Vielleicht erklärt das auch, warum es in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Burn out gibt. In einigen Fällen resultieren diese Krankheitsbilder aus einer permanenten Überforderung unseres Selbst und dem von außen und/oder aber von einem selbst auferlegten Druck, immer perfekt zu sein, alles perfekt auszuführen. Das hält kein Mensch auf Dauer durch.
Der erste Weg zur Verbesserung aus solch‘ einer Situation, ist natürlich immer erst einmal die Selbsterkenntnis, dass es so auf keinen Fall weiter gehen kann und zu erkennen, wo genau die Probleme liegen und wie man zu mehr Lebensqualität kommen kann, ohne sich ständig zu verbiegen und es immer allen recht zu machen. Und diese Reise führt zunächst einmal zu uns selbst.
Die Erkratherin Maria Kirchhoff kennt solche und andere Fälle nur zu gut. Sie praktiziert seit vielen Jahren Yoga. „Vor vielen Jahren habe ich ein schönes Zitat gelesen was wie folgt lautete ‚Das gute Leben ist ein Prozess, kein Zustand des Seins. Es ist eine Richtung, kein Ziel. Die Richtung, die das gute Leben ausmacht, ist diejenige, die vom gesamten Organismus gewählt wird, wenn die psychologische Freiheit besteht, sich in jede Richtung zu bewegen.‘“ Das Zitat stammt von Carl Rogers, einem US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten und es widerlegt das Bild unseres Seins, welches uns durch die Gesellschaft, der Werbeindustrie und in Teilen auch der modernen Medizin immer und immer wieder suggeriert wird: Wir müssen immer gut drauf sein, wir müssen Leistung bringen, wir müssen immer glücklich sein und wir dürfen keine Schwäche zeigen.
„Viele von uns haben verlernt, auf ihren Körper zu hören“, sagt Maria Kirchhoff. „Aber die Antwort auf unsere Fragen, was ist gut und was ist schlecht für mich, steckt in uns selbst. Der Körper weiß, was gut für ihn ist. Wir müssen nur wieder lernen, auf ihn zu hören.“ Ein guter Weg auf dieser Reise ist Yoga. Hier steht die Achtsamkeit im Vordergrund. Allein durch das achtsame Wahrnehmen unserer Atmung, dass tiefe Ein- und Ausatmen, können wir bereits Prozesse in unserem Körper und in unserem Gehirn auslösen, die sich positiv auf unser Empfinden auswirken. „Wer beispielsweise unter Stress steht, atmet meist sehr flach und schnell ein und aus. Setze ich dann gezielt eine langsame, bewusste tiefe Ein- und Ausatmung ein, beruhigt sich mein vegetatives Nervensystem und wir empfinden weniger Stress.“ Warum ist das so? Eine schnelle Atmung signalisiert dem Körper „Achtung, Gefahr“, während eine langsame und tiefe Atmung für den Körper quasi „Entwarnung“ bedeutet.
„Wenn wir nun unsere entspannte Atmung in natürliche Bewegungen fließen lassen, unseren Geist auf das Hier und Jetzt lenken, entspannen wir uns immer mehr und kommen zur Ruhe.“ Beim Yoga geht es übrigens nicht darum, bestimmte Asanas (Übungen) in Perfektion auszuführen, sondern seinen Geist auf sein Inneres zu lenken und ins Spüren zu kommen. Atemübungen beispielsweise in Kombination mit bestimmten Dehnübungen kann man auch wunderbar zwischendurch für einige Minuten in den Alltag einbauen. „Ein weiterer wichtiger Baustein, um glücklicher durchs Leben zu kommen ist, sein eigenes Verhalten und das der Mitmenschen so zu akzeptieren, wie es ist. Und das heißt nicht, dass wir keine Veränderung bewirken können. Nur paradoxer Weise kann sich die Kraft zu nachhaltiger Veränderung erst dann entfalten, wenn wir uns und das, was ist, erstmal genauso annehmen wie es eben ist. Auch das sorgt dafür, dass wir ruhiger werden und weniger im Widerstand gegen uns oder unser Außen sind.
Kognitiv kann man tatsächlich auch viel bewirken und es gibt viele unterschiedliche Methoden, wie man sich durch gezielte positive Gedanken in einen glücklicheren Zustand versetzen kann. Denn, die Art und Weise was wir denken, löst in uns Emotionen aus und diese Emotionen lösen wiederrum bestimmte körperliche Reaktionen aus, die wir dann entweder als angenehm oder unangenehm wahrnehmen. „Es geht um das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist und Yoga, Meditation, Achtsamkeitsübungen, aber auch Gesprächstherapien können uns dabei helfen, wieder einen Zugang zu uns selbst zu finden“, sagt Maria Kirchhoff.