Streuobstwiesen sind nun immaterielles Kulturerbe Gute Nachricht aus Bruchhausen

Hochdahl · Große Freude im Naturschutzzentrum Bruchhausen: Trotz mittlerweile schon einjähriger Schließung der Einrichtung durch die Corona-Pandemie, gibt es auch gute Nachrichten zu verkünden: Die Streuobstwiesenbewirtschaftung wurde im März in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen.

(v.li.) Renate Späth (1. Vorsitzende des Fördervereins Naturschutzzentrum Bruchhausen) zusammen mit Ulrike Eisel (ehemalige Lehrerin am GymNeander und Mitarbeiterin im Naturschutzzentrum Bruchhausen) und Karin Blomenkamp (Leiterin des Naturschutzzentrums Bruchhausen.

Foto: nic

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gehen die Streuobstbestände in ganz Europa zurück. Damit schwindet nicht nur ein kultureller Erfahrungsraum für den Menschen, sondern auch ein ökologisch wertvoller Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. Lebendig gehalten wird der Streuobstanbau durch ehrenamtliches Engagement. Wie beispielsweise im Naturschutzzentrum Bruchhausen. Die Stiftung Naturschutzgebiet Bruchhauser Feuchtwiesen als Eigentümerin von mehr als hundert Hektar Fläche sowie des Naturschutzzentrumsgebäudes kann sich glücklich schätzen, gleich mehrere Streuobstwiesen zu besitzen. Diese Streuobstwiesen sind an Dritte zur Bewirtschaftung verpachtet. Pächter sind dabei der Naturschutzbund (NABU) sowie der Kreis Mettmann (Untere Naturschutzbehörde) und der Förderverein des Naturschutzzentrums Bruchhausen.

„Wir freuen uns wirklich sehr über die Aufnahme in die Liste der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe“, sagt uns Renate Späth (1. Vorsitzende des Fördervereins Naturschutzentrum Bruchhausen). „Es ist ein wunderbarer Akt der Anerkennung für alle, die sich seit Jahrzehnten darum bemühen, die letzten Streuobstwiesen zu erhalten und neue anzulegen. Dem hat sich im Kreis Mettmann das schon vor 30 Jahren gegründete Projekt ‚TRINK MIT - Apfelsaft’ verschrieben - also dem Erhalt und der Neuanlage von Streuobstwiesen und die Produktion von lokalem Apfelsaft.“ Und wie gut der schmeckt, davon können sich die Bürger an jedem letzten Samstag in der Zeit von 9.30 bis 13 Uhr im Naturschutzzentrum Bruchhausen überzeugen. Denn dann kann man den Apfelsaft und leckeren Honig vom Imker Brosig vor Ort kaufen. „Der Apfelsaft ist allerdings eine Mischung aus allen niederbergischen Streuobstwiesen und schmeckt hervorragend.“

Wer die Äpfel aus Bruchhausen pur genießen möchten, kann an diesem Tag auch ein paar Exemplare in den Einkaufskorb wandern lassen und damit den lokalen Anbau unterstützen. Elementarer Bestandteil des Streuobstanbaus in Deutschland und somit auch in Bruchhausen ist die Biodiversität. Streuobstwiesen sind nämlich artenreiche Biotope, die zahlreiche Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Sie sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung hervorgegangen und direkt an menschliches Wissen gebunden. Viele Bestände wurden im 20. Jahrhundert gerodet, was zum Verlust größerer Flächen von Streuobstwiesen geführt hat. Heute gefährden weniger Rodungen als das schwindende Wissen, fehlende Fertigkeiten und Wertschätzung, der hohe Arbeits- und Zeitaufwand und die mangelnde Rentabilität den Bestand.

Im Kern des Streuobstanbaus stehen die arbeits- und zeitintensive Pflege und Bewirtschaftung der Wiesen sowie die Obstverarbeitung. Traditionelle Handwerkstechniken sind dabei fester Bestandteil der Praxis. Das Naturschutzzentrum Bruchhausen bietet - zu nicht Coronazeiten - unter anderem regelmäßig stattfindende Kurse zum Thema Obstbaumschnitt oder Weiterbildungskurse zur Streuobstwiesenpädagogik an. Seit 2016 ist das Naturschutzzentrum Bruchhausen Regionalzentrum für Bildung für nachhaltige Entwicklung im Kreis Mettmann. Im Zusammenhang mit Umweltbildung und mit Umwelterleben bieten Streuobstwiesen vielfältige Anlässe natürlicher Prozesse und Kreisläufe konkret erlebbar zu machen. Körperliche Betätigung ist notwendig beim Obstbaumschnitt, bei der Mahd oder der Obsternte. Im Schuljahresverlauf bieten Streuobstwiesen immer wieder Themen für unterschiedliche Unterrichtsfächer und Kompetenzerwerb. Besonders hervorzuheben ist dabei das Thema Insekten, insbesondere Honigbienen, denn die Bedeutung der Honigbiene (und von Wildbienen) für die Bestäubung der Obstblüten und die Erzeugung regionaler, gesunder Lebensmittel ist ein wertschöpfendes und zukunftweisendes Thema.

Ulrike Eisel (68 Jahre) und Lehrerin im (Un)ruhestand unterstützt das Team im Naturschutzzentrum. Früher hat sie Chemie und Biologie am GymNeander unterrichtet, nun entwickelt sie kleine Programme zu Themen wie beispielsweise „Alles rund um den Teich und die Organismen, die in ihm leben“ oder sie lässt Schülergruppe das Gewölle (Speiballen) von Greifvögeln untersuchen. „Auch Bodenuntersuchungen stehen auf dem Programm oder kleine Versuchsreihen zum Thema ‚Luft’ oder ‚Wasser’“, verrät sie uns. Die Programme entwickelt Ulrike Eisel sowohl für Kindergärten und Grundschulkinder, als auch für die weiterführenden Schulen bis zur Oberstufe. „Gerade in der Oberstufe ist der Unterricht sehr theorielastig und bietet wenig Raum für praktische Dinge. Da ist so ein Besuch bei uns im Naturschutzzentrum oftmals eine willkommende Abwechslung - auch für die höheren Klassen - und dabei noch sehr aufschlussreich.“ Durch Corona kann das Naturschutzzentrum Bruchhausen quasi seit über einem Jahr keine Schülergruppen empfangen und auch keine Feste veranstalten.

„Diese Zeit nutze ich, um meine Programme zu überarbeiten und weiterzuentwickeln. Für Ende Mai planen wir ein neues Konzept für Kindergartenkinder anzubieten, dass hoffentlich, wenn es die Pandemielage zulässt, für kleine Gruppen buchbar ist“, so Eisel. Eine Kooperation mit der Erkrather Lernkiste besteht ebenfalls seit einiger Zeit, in der die Schüler dann die Möglichkeit bekommen, Unterricht ganz praxisnah zu erleben. „Wir hoffen, dass wir im Oktober wieder zu einem regulären Betrieb übergehen können“, so Renate Späth. „Ein großer Wunsch ist, dass dann die Schulen und Kitas zumindest in Kleingruppen unsere Einrichtung wieder regelmäßig besuchen dürfen“, fügt Ulrike Eisel hinzu. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, sollte man regelmäßig einen Blick auf die sehr ausführliche Webseite des Naturschutzzentrums werfen. Hier gibt es auch digitale Angebote wie beispielsweise einen Podcast oder aber auch Biparcours.

Nähere Infos dazu gibt es auf www.naturschutzzentrum-bruchhausen.de.  

(nic)