Vornehmlich in den Abenstunden unterwegs Straßen.NRW. Mit Hochdruck und Nematoden gegen gefährliche Raupen
Kreis · Schon seit Wochen haben die Streckenwart*innen und Baumkontrolleur*innen der Straßen.NRW-Regionalniederlassung Ruhr ein besonderes Auge auf die Eichen entlang der Landes- und Bundesstraßen in ihrem Zuständigkeitsbereich. „Feine weiße Fäden an der Rinde sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Raupen des Eichenprozessionsspinners geschlüpft sind“, erklärt Tim Kroll, Straßenwärter in der Straßenmeisterei Unna.
Angelockt vom frischen Blattgrün wandern die Raupen der Mottenart vor allem an Stiel- und Traubeneichen vom Stamm in die Krone, um sich dort groß zu fressen und mehrfach zu häuten.
Ab diesem Zeitpunkt haben Kroll und seine Kolleg*innen nur ein enges Zeitfenster, in dem sie die weitere Entwicklung der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) stoppen können. Denn haben die Raupen sich ein drittes Mal gehäutet, dann haben sie die berüchtigten Gifthärchen entwickelt und können nicht mehr mit Nematoden besprüht werden. Zu groß wäre das Risiko, die Brennhaare weit im Umfeld der befallenen Bäume zu verteilen. Die feinen Haare enthalten ein Nesselgift, das die Atemwege reizen und allergische Reaktionen bei Menschen und Tieren auslösen kann. Die Brennhaare können bis zu einem halben Kilometer weit fliegen und stellen bis zu drei Jahre lang eine Gesundheitsgefahr dar, wenn sie nicht fachgerecht entfernt werden.
Zweimal, im Abstand von 14 Tagen, muss ein vom Eichenprozessionsspinner befallener Baum mit einem Nematoden-Wasser-Gemisch besprüht werden. Damit beginnen Kroll und seine Kolleg*innen in den kommenden Wochen. Dabei kann es zu kurzzeitigen Engpässen für den Verkehr kommen.
Bei Nematoden handelt es sich um Fadenwürmer der Art Steinerma. Die nur einen halben Millimeter langen Nützlinge werden als ökologisch unbedenkliches Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt. Das Bakterium ist für Menschen sowie andere Säugetiere, Vögel, Amphibien und Bienen ungefährlich.
Weil diese Nematoden lichtempfindlich sind, können Tim Kroll und seine Kolleg*innen sie nur in den Abendstunden versprühen. Zu viel Regen würde die Nützlinge zu schnell von den Blättern waschen. Zu viel Wind würde verhindern, dass sie überhaupt in ausreichender Zahl auf den Blättern landen. Und liegen die Temperaturen unter acht Grad, dann bewegen die Nematoden sich kaum noch und können deshalb auch nichts gegen die Raupen mit den gefährlichen Haaren ausrichten.
„Wir schauen jeden Tag in den Wetterbericht und entscheiden erst dann, wo wir hinfahren“, erklärt Kroll den täglichen Ablauf. „Dann schauen wir, wie viele Bäume in dem Bereich behandelt werden müssen und bereiten die Mischung mit den Nematoden entsprechend vor.“ Knapp eine Stunde dauern die Vorbereitungen, dazu kommen die Fahrzeiten und die Nachbereitung am Schluss. Denn das große Fass für die Nematoden, die Schläuche und Düsen müssen zum Ende jeder Schicht sorgfältig gereinigt werden, damit beim nächsten Einsatz die Düsen nicht verstopfen.
Zudem müssen die Schichten immer mit zwei Mitarbeitenden besetzt sein: Während eine Person den Spritzkopf manövriert, achtet die zweite nicht nur auf den fließenden Verkehr. Auch vor möglichen Hindernissen in der Höhe wie Leitungen oder dünnen Äste, die von der Fahrerkabine aus schlecht zu sehen sind, warnen sich die Kolleg*innen gegenseitig. Und nach gut zwei Stunden wechseln sie die Rollen. „Man muss sich schon sehr konzentrieren, wenn man Nematoden in den Baumkronen versprüht“, sagt Tim Kroll.
Weil die Einsätze gegen Eichenprozessionsspinner so zeit- und ressourcenaufwendig sind, werden im Bereich der Straßenmeisterei Unna lediglich befallene Eichen entlang von Geh- und Radwegen und an Parkplätzen mit den Nematoden behandelt. Erst seit 2020 arbeitet die Straßenmeisterei Unna mit dem knapp acht Meter langen Teleskoparm, an dessen Ende ein Spritzkopf mit Gebläse und sechs Düsen sitzt. „Wir haben in den ersten beiden Jahren sehr eng mit den Herstellern der Nematoden und des Spritzkopfs zusammengearbeitet und konnten gemeinsam noch einige Kinderkrankheiten beseitigen“, berichtet der technikbegeisterte 26-jährige Straßenwärter. So wurden die Düsen angepasst, ein Bauteil ausgetauscht und eine zusätzliche Kamera auf dem Dach der Fahrerkabine installiert. Mittlerweile sind alle Straßenmeistereien der Straßen.NRW-Regionalniederlassung Ruhr mit der Technik ausgestattet.
„Unser Einsatz wirkt,“ resümiert Kroll, „an einige Standorten ist der Bestand der Raupen so deutlich zurückgegangen, dass wir jetzt andere Standorte berücksichtigen können.“ Doch die Raupen des Eichenprozessionsspinners wandern von Baum zu Baum und verstecken sich zudem manchmal erfolgreich zwischen Blättern und Ästen vor den Nematoden. Und so kann auch der Einsatz der Nützlinge die Vermehrung des Eichenprozessionsspinners nicht vollständig verhindern. Deshalb müssen weiterhin zusätzlich Fachfirmen an einzelnen Bäumen die Gespinste der Eichenprozessionsspinner entfernen. Zudem hat Straßen.NRW sich gefiederte Unterstützung gesucht: Bei einem weiteren Pilotversuch wurden 120 Nistkästen an Eichen aufgehängt und haben erfolgreich Meisen angelockt, die natürlichen Fressfeinde der Eichenprozessionsspinner.