Erkrath braucht Flüchtlingspaten
Erkrath · Plätzchen backen in der Vorweihnachtszeit, Erdbeeren pflücken im Sommer oder mit dem Fahrrad um den Unterbacher See? All diese Beschäftigungen machen die Erkrather Bürger gerne in ihrer Freizeit. Für die insgesamt 572 zugewiesenen Flüchtlinge sind diese Alltagsbeschäftigungen allerdings völliges Neuland.
(tb) Auch ein gemeinsames Abendbrot liefert Einblicke in eine völlig fremde Kultur für die Flüchtlinge aus Übersee. "Dabei macht es so viel Spaß, gemeinsam mit den Flüchtlingen Zeit zu verbringen, sie in unsere Kultur einzuführen und zeitgleich etwas von der fremden Kultur zu erfahren", weiß Isabelle Wilhelm. Die engagierte Mutter ist Flüchtlingspatin einer jungen, syrischen Familie. "Dabei mache ich dieses Ehrenamt nicht ganz uneigennützig. Ich bringe meinen Kindern zeitgleich bei, dass der Überfluss nicht selbstverständlich ist und man Menschen helfen muss, denen es nicht so gut geht wie uns."
Eine lobenswerte Einstellung, wie Dieter Thelen vom Freundeskreis für Flüchtlinge weiß. Und der Weg zum Flüchtlingspaten ist nicht einmal schwer. "Einen ersten Kontakt kann man schon bei den wöchentlichen Flüchtlingscafés herstellen. Diese finden entweder dienstags in der Begegnungsstätte Gerberstraße oder donnerstags im Haus der Kirchen am Hochdahler Markt statt." Vor Ort findet man in familiärer Atmosphäre alle nötigen Ansprechpartner, von Flüchtlingen selbst bis hin zu Vertretern des Freundeskreises, Flüchtlingskoordinatoren der Stadt und Integrationshelfer wie Rachida El Khabbachi. "Wir haben in Erkrath derzeit rund 50 Flüchtlingspaten. Ich bin mir sicher, dass viele Erkrather Bürger ein solches Ehrenamt übernehmen würden, aber Angst vor Verantwortung und enormen Zeitaufwand haben. Dabei sind diese Ängste völlig unbegründet", verrät El Khabbachi weiter.
"Jeder Pate kann individuell entscheiden, wie viel Zeit er aufbringen kann. Wir stehen alle als Ansprechpartner zu jeder Zeit zur Verfügung und zudem besteht ein solches Engagement nicht ausschließlich aus Behördengängen und Papierkram." Das kann Isabelle Wilhelm nur bestätigen. "Es geht mir darum der Familie zu zeigen, wie es in einer deutschen Familie so zugeht. Wir unternehmen eine Menge gemeinsam und es hat sich mit der Zeit eine wirkliche Freundschaft entwickelt. Man bekommt mehr zurück, als man gibt." Die Stadt Erkrath hat sich gemeinsam mit dem Freundeskreis zudem eine echte Hilfestellung einfallen lassen. Ein Schulungsprogramm, welches freiwillig angenommen werden kann und Einblicke in die Welt der Flüchtlingshilfe liefern soll.
So können Ansprechpartner, Kontaktstellen und erste Integrationsfragen bereits bei dieser Schulung hinterfragt werden. "Wir haben die Schulungen bisher zweimal im Haus der Kirchen durchgeführt und die Resonanz war durchweg positiv. Die Teilnehmer hatten viele Fragen und gingen mit einer großen Portion an Informationen aus diesem Angebot heraus", erklärt Flüchtlingskoordinator Maximilian Gruber. Auch die Sprachbarriere ist für Isabelle Wilhelm mittlerweile nicht mehr vorhanden. "Wir nutzen unsere Handys und dank einer Übersetzungs-App können wir uns super verständigen. Da muss man eben etwas erfinderisch sein", witzelt die Flüchtlingspatin.
Dieter Thelen plant in Zukunft sogar einen Stammtisch für Flüchtlingspaten. "Man soll die Möglichkeit haben, sich untereinander auszutauschen und zu informieren", so das Mitglied des Freundeskreises abschließend. "Ein gut funktionierendes Netzwerk ist für die Arbeit unabdingbar, stellt sich aber von ganz alleine ein."