Wenn man sich eine neue Zukunft suchen muss …
Abdulrahman Abo Aich war erfolgreicher Besitzer zweier Apotheken in Syrien, bevor der Krieg sein Leben in Aleppo auf den Kopf stellte.
(RG) Abdulrahman, kurz Abdul wollte immer nur Apotheker oder Mediziner werden. Studienplätze dafür waren in Syrien rar. Als sein NC nicht ausreichte, finanzierten ihm die Eltern ein Studium in Moldawien. Ein Jahr musste er Russisch lernen, bevor er sein Studium beginnen konnte. Russisch spricht er auch heute noch fließend. Mit Studium und Praxisjahr, war er sechs Jahre in Moldawien. Eine internationale Anerkennung des Studiums von der UNESCO hatte er. Um in Syrien Apotheker zu werden, musste er dennoch ein weiteres Staatsexamen in seiner Heimat absolvieren, das er auf Anhieb bestand. Seine Motivation im Ausland zu studieren, erklärt er mit einem kurzen Satz "Ich wollte nie Ingenieur werden."
Der zweite Teil von Abduls Vornamen, 'Rhaman‘, bedeutet in der Übersetzung 'der Freundliche, der Mitfühlende‘. Klaus Sauerwein und die Kollegen in der Millrather Apotheke können bestätigen, dass er diesem Namen gerecht wird. Dort macht er gerade eine 'Sprachhospitation‘. Deutsch spricht er bereits auf dem Level B1. Zur Anerkennung muss er C1 erreichen und eine fachsprachliche Prüfung absolvieren. Bis er dann selbst als Apotheker in Deutschland tätig werden kann, muss er ein weiteres Praxisjahr absolvieren.
Als Abdul 2002 sein zweites Staatsexamen zur Anerkennung in Syrien bestand, eröffnete er eine Apotheke in einem Dorf. Zwei Jahre Dorfapotheke sind die Voraussetzung, um eine größere Apotheke in der Stadt zu eröffnen. Die übernahm er dann in Aleppo und führte eine der erfolgreichsten Apotheken der Stadt. Er gründete eine Familie, kaufte eine Wohnung und ein Auto und entschloss sich Anfang 2011 eine zweite Apotheke zu kaufen. Dann kam der Krieg. Zu Beginn dachte er, wie viele andere auch, nach zwei oder drei Jahren sei wieder Frieden, aber die Situation spitzte sich schnell dramatisch zu.
Aufgrund der Kampfhandlungen in Aleppo brachte er seine Familie auswärts unter und fuhr täglich in die Stadt zur Arbeit, bis 2014 Kämpfer vor seiner Ladentheke standen und forderten "Entweder gibst du uns viel Geld oder wir räumen deine ganze Apotheke leer.". Das war der Tag, an dem Abdul schweren Herzens beschloss seine Apotheken einfach zurückzulassen und mit seiner Familie in sicherere Landesteile zu fliehen. Mit dem noch verfügbaren Geld, Wertsachen, Schmuck und ihrem Auto zogen sie durch Syrien, immer auf der Suche nach dem nächsten sicheren Ort.
2015 war es schließlich nirgendwo mehr sicher und als Abdul sah, dass Kinder ermordet wurden, verkauften sie ihr Auto und flohen in die Türkei. Von dort aus wollte Abdul die Überfahrt nach Griechenland erst einmal allein wagen, weil sie für die Kinder zu gefährlich erschien. Aber seine Frau sagte zu ihm "Entweder sterben wir gemeinsam auf dem Meer oder gemeinsam hier." und so traten sie die gefährliche, teuer bezahlte Überfahrt im Schlauchboot zusammen an.
Von Griechenland aus machten sie sich weiter auf den Weg. Sie hatten Deutschland nicht als Ziel, keine Verwandten hier, wie andere Syrier. Sie wollten nur einen sicheren Ort finden. Ihr Weg führte sie durch Mazedonien und Kroatien. Unterwegs nahm das Rote Kreuz die Flüchtlinge immer wieder in Bussen auf. Grenzen mussten sie zu Fuß überschreiten. 2,5 Kilometer vor und nach den Grenzen war ein organisierter Transport nicht möglich. Im November 2015 landete Familie Abo Aich in einem Auffanglager in Troisdorf und blieb dort 40 Tage. Von dort aus ging es direkt nach Erkrath.
"Hier haben wir uns zum ersten Mal richtig sicher gefühlt und die Menschen waren alle sehr freundlich zu uns." Anfangs waren die beiden zwei und vier Jahre alten Töchter und der achtjährige Sohn noch ängstlich, wenn sie Flugzeuge über sich hörten. Das erste Silvesterfest war furchtbar. Inzwischen haben sie gelernt, dass die Geräusche keine Gefahr mehr bedeuten. Die beiden Mädchen besuchen den Kindergarten und ihr Bruder die dritte Klasse in der Grundschule. Abdul und seine Familie sind endlich angekommen. Auch wenn es bis zur Anerkennung und zum Staatsexamen in Deutschland noch ein etwas mühevoller Weg ist, ist er voller Hoffnung eines Tages auch hier in Deutschland erfolgreicher Apotheker zu werden. Er ist Klaus Sauerwein sehr dankbar, dass er ihm die Möglichkeit gibt die Sprachhospitation in seiner Apotheke zu absolvieren. Von anderen weiß er, dass nur wenige Apothekenbesitzer diese Möglichkeit bieten, wenn das Sprachniveau erst B1 entspricht. "Manchmal muss man einfach etwas tun, statt immer nur davon zu reden." erklärt Klaus Sauerwein seine Entscheidung, die er bisher keinen Tag bereut hat.