IHK zur Konjunktur im Kreis Mettmann Große Belastungen – noch größere Risiken
Kreis · Die Wirtschaft im Kreis Mettmann hatte sich wieder aus ihrem tiefen Corona-Einbruch herausgearbeitet und allmählich weiter erholt. „Und trotz der schon vorhandenen Risiken war sie recht zuversichtlich ins neue Jahr gestartet“, gibt IHK-Konjunkturexperte Gerd Helmut Diestler die noch bis Mitte Februar 2022 vorherrschende Stimmung in der regionalen Wirtschaft wieder.
Das hat sich schlagartig mit dem Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine geändert: Die dadurch verstärkte Preisexplosion bei Energie- und Rohstoffen, nicht nur vereinzelte Knappheit an Material und Vorprodukten sowie gestörte Lieferketten drohen immer mehr, auch die Wirtschaft im Neanderland ins Mark zu treffen.
„Angesichts dieser Belastungen schlägt sich die Wirtschaft im Kreis Mettmann noch recht wacker“, beschreibt Marcus Stimler, Leiter der IHK-Zweigstelle Velbert, den momentan eklatanten und nie zuvor beobachteten Unterschied zwischen ihrer Einschätzung der aktuellen Wirtschaftslage und ihren Erwartungen für den Rest des Jahres 2022. An der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage haben sich bis Ende April aus dem Kreis Mettmann insgesamt 235 Betriebe mit zusammen 22.400 Beschäftigten beteiligt.
Auf der eine Seite beurteilt die Wirtschaft ihre Geschäftslage Ende April 2022 nur wenig zurückhaltender als zu Jahresbeginn. So ist der Geschäftslageindex, gemessen als Differenz von „gut“- und „schlecht“-Meldungen, nur um 6 auf 23 Punkte zurückgegangen. In der verarbeitenden Industrie und im Großhandel insgesamt ist er sogar so gut wie unverändert geblieben.
Andererseits erwarten sämtliche Branchen kurzfristig erheblich schlechtere Geschäfte: Nun überwiegen überall die Pessimisten gegenüber den Optimisten, und zwar deutlich. Der Erwartungsindikator ist um rund 37 auf nunmehr minus 21 Prozentpunkte regelrecht abgestürzt. „Das ist eine Entwicklung, wie sie zuvor nur in Rezessionszeiten beobachtet worden ist“, skizziert Diestler. Die größten Rückgänge verzeichnen die konsumnahen Großhändler (minus 53 Punkte) und der Einzelhandel (minus 39 Punkte).
Noch ist die Nachfrage gerade nach Produkten aus dem Neanderland weiter hoch. Die Auslastung der verarbeitenden Industriebetriebe ist sogar leicht auf 80,5 Prozent gestiegen. „Sie wäre sicherlich noch höher, würden dem nicht Material- und Vorprodukteknappheit einen Riegel vorschieben“, so Diestler. Außerdem treibt viele Betriebe die Sorge um, dass ihnen demnächst die Energieversorgung und damit die Produktionsmöglichkeiten eingeschränkt werden könnten.
Während einige zuvor durch die Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung eingeschränkte Branchen wie die Freizeit- und Kulturwirtschaft, die Gastronomie und Hotellerie deutlich von den Lockerungen profitieren, spürt umgekehrt der Einzelhandel bereits eine Zurückhaltung der privaten Verbraucher. Diesen setzen hohe Energiepreise und Inflation immer mehr zu. Und die Inflation dürfte sich fortsetzen, spüren doch die meisten Betriebe ihrerseits einen enormen Preisdruck, den sie so gut wie möglich an ihre Kunden weitergeben. Nur bei den Dienstleistern gilt dies für einen nennenswerten Anteil von knapp einem Drittel der Betriebe nicht.
Die schlechten Perspektiven wirken sich auch negativ auf die Investitionsneigung der Betriebe aus, bei denen sich nun expansive und restriktive Planungen knapp nicht mehr die Waage halten. Zu Jahresbeginn waren noch mit elf Punkten die Aufstocker in der Mehrzahl gewesen.
Bemerkenswert stabil und nahezu unbeeindruckt von den aktuellen Hemmnissen und Konjunkturkrisen zeigt sich dagegen der Arbeitsmarkt. Die Betriebe haben ihre Personalpläne nur wenig zurückgefahren, bleiben per Saldo aber weiterhin noch leicht expansiv bei ihren Personalplänen. „Wie bereits seit geraumer Zeit würden besonders in der Bauwirtschaft viele Betriebe gerne mehr Personal beschäftigen, wenn sie es denn schaffen, genügend Fachkräfte rekrutieren zu können“, beschreibt Diestler abschließend. Umgekehrt sehen dies die Einzelhändler, die in Summe von weniger Personaleinsatz ausgehen.