Erkrath/Mettmann. (nic) Überall in der Bundesrepublik gehen die Bauern derzeit auf die Straße und kämpfen gegen die geplanten Sparmaßnahmen in der Landwirtschaft wie den sukzessiven Wegfall der Agardiesel-Subventionen oder den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge. Doch das sind nicht die einzigen Gründe, weshalb sich großer Unmut unter den Landwirten breitmacht. Wofür kämpfen sie noch?
Fünf vor zwölf: Der bundesweite Streik der Landwirte Im Kreis Mettmann haben viele Bauern ihre Nische gefunden
In den letzten zwei Wochen sieht man auf den Straßen in der Republik zahlreiche Landwirte, die mit ihren Traktoren auf die Straße gehen und gegen die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung demonstrieren. Auch im Kreis Mettmann zeigten die Bauern Flagge. Wir sprachen mit Johannes Paas (Dipl. Ing. Agrar), stellvertretender Vorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann und Ursula Jandel (Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen) zum Thema.
Johannes Paas: Der geplante Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge und der sukzessive Wegfall der Agrardiesel-Subventionen waren kurz vor Weihnachten der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat und von der Politik ein Schnellschuss. In den letzten Jahren wurden viele Entscheidungen gegen die Landwirte getroffen, vielleicht aus dem Grund, weil die Bundesregierung denkt, wir sind nur ein Prozent der Bevölkerung. Wir haben reichlich Federn gelassen, beispielsweise durch die ‚Vier Prozent Stilllegungs-Regelung‘ von Agrarflächen bundesweit oder die Düngeverordnung. Hier hat die Politik die sogenannten ‚roten Flächen‘ , also dort wo der Nitratwert im Grundwasser über 50 Milligramm Schwellenwert erreicht, viel zur großflächig gewählt. Nicht überall ist die Landwirtschaft der Hauptverursacher dieser Werte, sondern auch beispielsweise Kläranlagen oder die Industrie. Außerdem muss, wie in anderen mittelständischen Unternehmen auch, ein umfassender Bürokratieabbau stattfinden.
Wie sieht die Situation im Kreis Mettmann aus? Wie viele landwirtschaftliche Betriebe gibt es hier und betreiben diese überwiegend Landwirtschaft oder Viehzucht?
Ursula Jandel: Im Kreis Mettmann gibt es eine Vielzahl an Betrieben, die Pensionspferdehaltung anbieten. Eine klassische Rind- oder Milchviehhaltung ist eher weniger verbreitet, Schweinezucht gar nicht. Die Bodenqualität in dieser Region ist sehr gut und wird deshalb von den Landwirten überwiegend für den Ackerbau genutzt.
Johannes Paas: Generell kann man sagen, dass in Deutschland in den letzten zwölf Jahren 40.400 Betriebe aufgehört haben, nun zählt man 258.700 Höfe. Das bedeutet, pro Jahr schließen 1,2 Prozent der Bauern ihre Betriebe. Hier im Kreis Mettmann beziehungsweise am Rande der großen Städte hat fast jeder Landwirt eine Nische gefunden, wie Direktvermarktung, Vermietung von Lagerflächen und Partyscheunen, Bauernhofcafés, Winterdienst, Baumpflege und so weiter. Besonders die Pensionspferdehaltung mit rund 5.000 Pferde im Kreis Mettmann spielt eine wichtige, auch wirtschaftliche Rolle. Ich hoffe, dass hier im Kreis Mettmann weniger Betriebe aufhören müssen, aber den jungen Menschen beziehungsweise Bauern wird die Freude am Beruf Landwirt durch die Rahmenbedingungen genommen. Wir brauchen Planungssicherheit, eine Politik die Leitplanken vorgibt, aber mit gewissen Spielräumen, um uns den weltweiten Konkurrenten entgegenzusetzen.
Wie viele Betriebe gibt es speziell in Erkrath beziehungsweise Mettmann und wie groß sind diese?
Ursula Jandel: Im vergangenen Jahr haben 275 Betriebe im Kreis Mettmann, davon 16 Betriebe in der Stadt Erkrath und 42 Betriebe in der Stadt Mettmann einen Antrag gestellt. Da wir davon ausgehen, dass mehr als 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe bei uns Anträge stellen, ist dies ein Hinweis auf die Zahl der Betriebe in der Region. Zu der konkreten Größe können wir nichts sagen, da die Schwankungsbreite von ein bis deutlich über 300 Hektar beträgt. Diese hängt unter anderem von der Betriebsform ab. Ein Gartenbaubetrieb ist bereits mit einigen wenigen Hektar ‚groß‘, ein Ackerbaubetrieb im Vollerwerb benötigt dagegen mindestens 200 Hektar. Die Angabe einer Durchschnittsgröße ist deshalb nicht aussagekräftig.
Gibt es jenseits der derzeitigen bundesweiten Debatte spezielle Probleme im Kreis Mettmann, mit denen die Landwirte hier vor Ort zu kämpfen haben?
Johannes Paas: Eigentlich sind die Probleme überall‘ gleich. Im Kreis Mettmann, sowie in NRW, sind die landwirtschaftlichen Flächen durch die enge Bebauung sehr knapp. Jeden Tag werden 55 Hektar durch Siedlung, Straßen- und Sportplätze versiegelt, das heißt, jeden zweiten Tag wird die Fläche eines durchschnittlichen Betriebes entzogen. Auch die bundesweite Debatte beschäftigt uns hier im Kreis und hat die volle Unterstützung. Unsere Landwirte haben das in der vergangenen Woche durch verschiedene Aktionen friedlich gezeigt. Ich muss hervorheben wie friedlich, sauber und im sehr guten Austausch mit der Polizei die Demonstrationen verlaufen sind, dazu sage ich Danke an alle Beteiligten.
Wie viele Betriebe im Kreis Mettmann mussten in den vergangenen fünf Jahren schließen und was waren die Hauptgründe dafür?
Ursula Jandel: Der Vergleich der Zahlen von 2023 zu 2018 zeigt kaum Veränderungen in der Zahl der Antragsteller sowie der Größen der Betriebe. Dies liegt daran, dass durch die besondere Struktur der Landwirtschaft in dem urban geprägten Raum viele Betriebe ihre Nische gefunden haben. Durch die Möglichkeit der Einkommenskombinationen und Diversifizierung sind diese Betriebe durch den allgemeinen Strukturwandel nicht so betroffen.
Wie könnte ein grundlegender Systemwechsel auf dem Agrarsektor unter Klimaschutz-Aspekten gemeinsam mit der Landwirtschaft aussehen? Und wie lange würde das dauern?
Johannes Paas: Wir Landwirte haben es als einziger Sektor geschafft, unsere Klimaziele einzuhalten. Außerdem versuchen wir weiterhin, unseren Dünger- und Pflanzenschutzeinsatz zu reduzieren. Ich hoffe, dass die Forschung, Wissenschaft und Züchtung uns in den nächsten Jahren unterstützt, unsere selbst gemachten Ziele für den Klimaschutz zu erreichen.
Was halten sie von einer möglichen Tierwohlabgabe? Also höhere Preise für Fleisch, Milch Eier und mehr Geld für die Landwirte.
Johannes Paas: Der Markt beziehungsweise der Konsument bestimmt das Angebot und die Preise. Generell ist jeder neugebaute Stall eine gute Entwicklung. Aber auch hier sind unsere Rahmenbedingungen und Auflagen so hoch, dass sich kaum ein Landwirt bereit erklärt, in Deutschland einen neuen Stall zu bauen. Dies passiert leider immer mehr im Ausland, wo die Bedingungen besser sind. Wollen wir das?
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Nicole Palmieri