"Ich möchte auf eine 'normale' Schule"
Erkrath · Die zehnjährige Zelia aus Erkrath hat einen großen Wunsch. Ab der fünften Klasse möchte die Schülerin eine Regelschule besuchen. Was für die meisten Kinder ganz normaler Alltag ist, gestaltet sich für die Schülerin jedoch zum Problem.
Seit ihrer Geburt leidet Zelia unter einer auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung (AVWS), die ihr das Hören erschwert.
Daher besucht Zelia seit der ersten Klasse eine Schule für hörgeschädigte Kinder in Düsseldorf-Gerresheim. "Nicht nur der Weg zur Schule ist eine tägliche Tortur, auch findet Zelia an dieser Schule keine Freunde. Da die Kinder aus dem gesamten Umkreis kommen, gestalten sich Treffen zum Spielen schwierig, zu weit wohnen die Klassenkameraden entfernt", verrät Silke Eisheuer. Die engagierte Mutter kann den Wunsch ihrer Tochter nachvollziehen. "Immerhin ist Zelia keine schlechte Schülerin, sie könnte ohne weiteres eine Realschule oder ein Gymnasium besuchen. Mit einer Höranlage kann sie dem Unterricht normal folgen."
Kurzerhand versuchte Silke Eisheuer, ihre Tochter auf einer Erkrather Regelschule anzumelden. "Es wäre lediglich wichtig, dass meine Tochter stundenweise von einem Sonderpädagogen unterstützt wird, der mit ihr den gelernten Stoff nochmals durchgeht. Mehr ist nicht von Nöten." Für die angefragten Schulen in Erkrath scheint aber genau diese Voraussetzung ein Problem darzustellen. "Die Stunden der Sonderpädagogen wurden in den vergangenen Monaten reduziert und ich bekam bei verschiedenen Schulen die Antwort, dass sie den Mehraufwand nicht stemmen könnten", so das ernüchternde Ergebnis.
Dass das Konzept "Inklusion" im Landesgebiet mit Problemen behaftet ist, verrät auch die Pressestelle der Lehrergewerkschaft VBE. "Wir benötigen auf der einen Seite für die Inklusion eine angemessenere Schüler-Lehrer-Relation, auf der anderen Seite wissen wir, dass es am nötigen Personal fehlt. Die geplante Bündelung der Ressourcen darf deshalb nur eine Übergangslösung sein. Das Ziel muss es sein, allen Kindern wohnortnah die bestmögliche Bildung zu ermöglichen", heißt es auf Nachfragen der Redaktion. Die Lehrer mit dem Thema alleine zu lassen, scheint für die Gewerkschafter nicht der richtige Weg zu sein.
"Möglicherweise setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Inklusion nicht mit der Brechstange, sondern nur mit angemessenen Rahmenbedingungen gelingen kann. Wir benötigen unter anderem die Doppelbesetzung aus Regelschullehrkraft und Sonderpädagogin oder Sonderpädagoge."
Sich mit der Situation abfinden, wollte Familie Eisheuer jedoch nicht. Da bereits Zelias ältere Schwester die Theresienschule in Hilden besucht, fragte die Mutter dort an. "Mit Erfolg, wir haben ein sehr nettes Gespräch mit dem Schulleiter Dr. Burkhard Langensiepen führen dürfen, der uns eine Aufnahme in Aussicht stellte." Da sich die Theresienschule in einer privaten Trägerschaft des Erzbistum Kölns befindet, können Einzelfälle anders behandelt werden. "Wir haben Kontakt mit Zelias aktuellen Schule aufgenommen und prüfen derzeit die Option, einen Sonderpädagogen stundenweise einzustellen", verrät der Schulleiter. Dass sich Zelia an der Theresienschule gut entwickeln wird, dessen ist sich Dr. Burkhard Langensiepen sicher. "Wir haben ein ganz normales Aufnahmegespräch mit der Schülerin geführt und ich bin mir sehr sicher, dass sie bei uns gut zurechtkommen wird. Zudem stehen wir in einer besonderen Verantwortung, da bereits ihre Schwester unsere Schule besucht."
Für Zelia geht somit ihr größter Wunsch in Erfüllung. "Ich möchte endlich ganz normale Freunde haben und auf einer normalen Schule lernen." Dem steht in Zukunft nichts mehr im Weg. Für Silke Eisheuer ist die Schulannahme jedoch nur ein kleiner Sieg. "Für die Einstellung von Sonderpädagogen ist die Bezirksregierung zuständig. Es kann allerdings nicht sein, dass diese die Stunden immer weiter runtersetzen und sich die staatlichen Schulen nicht in der Lage sehen, Kinder mit einer Behinderung aufzunehmen. Das Konzept der Inklusion geht für mich in Erkrath leider nicht auf."