Gelebte Erinnerungskultur
Erkrath · Bertha Mayer war unschuldig. Die im Jahr 1867 geborene Erkratherin lebte gemeinsam mit ihren Eltern auf der Düsselstraße und bewirtschaftete eine familieneigene Fleischerei auf der Bahnstraße. Ein bürgerliches Leben schien ihre Zukunft zu sein.
Ein Leben, welches Bertha Mayer 1942 unfreiwillig im Konzentrationslager Theresienstadt lassen musste. Sie war Jüdin. Die letzte in Erkrath.
(tb) Um die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten auch in der heutigen Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, liegen in Erkraths Stadtgebiet sechs Stolpersteine vor den Häusern ehemaliger, jüdischer Familien. Steine, die an die Menschen erinnern, deren Zukunft auf erbarmungslose Weise ausgelöscht wurde. Stets um den 27. Januar - dem bundesweiten Gedenktag an die Opfer des Holocaust - werden die Stolpersteine gereinigt. Auch in diesem Jahr nahmen Vertreter von Rat und Verwaltung, Landtagsabgeordnete sowie zahlreiche Schüler der Gymnasien und Realschulen an der gelebten Erinnerungskultur teil. Die Steine, die allesamt vom Künstler Gunter Demnig gestaltet wurden, sollen den ermordeten Opfern der NS-Propaganda einen Namen geben.
"Wir haben daher ein Lied einstudiert", berichtet die elfjährige Leonie, die derzeit die fünfte Klasse besucht. Gemeinsam mit ihren Klassenkameraden singt die Schülerin auf eindrucksvolle Weise Adel Tawils bewegendes Lied "Stadt". Antonia, Leena und Hanna, Schülerinnen der zwölften Klasse des Gymnasiums Neandertal hingegen, haben sich mit den Opfern aus Erkrath genauer auseinander gesetzt. "In der Nacht vom neunten auf den zehnten November 1938, welche als Reichsprogomnacht bekannt ist, wurde Bertha Mayer zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Schwager brutal aus dem Schlaf gerissen und aus dem Haus getrieben. Zu diesem Zeitpunkt war Bertha Mayer 74 Jahre alt."
2007 wurde der erste Stein seinem Ursprungsort übergeben. Fünf weitere folgten. "Die Stolpersteine wurden damals auf Antrag der Grünen bewilligt", erinnert sich Ratsmitglied der Grünen, Peter Knitsch, der selbst für den Stolperstein Bertha Mayers die Patenschaft übernommen hat. "Die Zeit der Nationalsozialisten ist kein Vogelschiss in der Geschichte", greift Knitsch den Zitat des AFD Partei-und Fraktionschefs Alexander Gauland auf, der sich zu dem Thema der deutschen Geschichte abwertend äußerte. "Ich verurteile solche Aussagen aufs schärfste."
Bürgermeister Christoph Schultz bedankte sich in seiner kurzen Ansprache bei allen Beteiligten und besonders bei den anwesenden Schülern. "Sie alle tragen hier zu einer gelebten Erinnerungskultur bei, die wesentlich für den Erhalt unserer freiheitlichen Demokratie ist. Nur wer die Geschichte kennt, kann daraus Lehren für die Zukunft ziehen."
Weitere Stolpersteine, die im Zuge der Säuberungsaktion angesteuert wurden, lassen sich an der Sedentaler Straße 18 (Tomasz Brzotowicz), der Schlüterstraße 1a (Emil Schmidt), am Rathelbecker Weg 11 (Otto Lukat und Peter Hupertz) sowie an der Kirchstraße vor der katholischen Kirche finden. Eine Liste der Stolpersteine sowie deren Geschichten sind auf Wikipedia unter dem Stichpunkt "Liste der Stolpersteine in Erkrath" zusammengefasst.
Info:
Der Stolperstein an der Kirchstraße steht für ältere und behinderte Frauen, die 1941 deportiert wurden. Eine genaue Anzahl der Opfer ist nicht bekannt.