Vom ehemaligen Schulverweigerer zum angehenden Schreiner?
Erkrath · Julian hat es geschafft. Für ihn war "Zündstoff" genau das, was er brauchte, um seine schulische und berufliche Zukunft zu gestalten.
"Meine Schulsachen waren ein Stift und ein Blatt Papier, auf dem ich mir Notizen zu allen Fächern machte. Die Schulstunden habe ich abgesessen. Zuletzt überwogen auf meinem Zeugnis die Fünfen", erzählt Simon über die Zeit, in der er sich nach und nach zum passiven Schulverweigerer entwickelte. Simon ist 16 Jahre alt und hat dank des SKFM-Projekts "Zündstoff" gerade erfolgreich die 9. Klasse mit einem Notendurchschnitt von 2,7 absolviert. "Das hätte noch besser sein können", ist er mit seinen Leistungen noch nicht ganz zufrieden. Im kommenden Schuljahr will er in der Klasse 10B mit der Fachoberschulreife die Schule abschließen und anschließend eine Ausbildung zum Schreiner oder Tischler beginnen.
Simon hat es geschafft. Er hat wieder gelernt zu lernen und Anerkennung erfahren. Für ihn war es vor allem auch der Praxisanteil in der Werkstatt, der ihn motiviert hat und in dem er seinen persönlichen Mentor gefunden hat. Robert Rohlik ist als Werkpädagoge eine wichtige Konstante für die jungen Menschen. Er ist an fünf Tagen in der Woche vor Ort, während die Lehrer für den theoretischen Schulteil je nach Fach täglich wechseln.
Das SKFM bringt seit rund 17 Jahren Jugendliche wieder zurück in die Schule oder eine Ausbildung. Seit 10 Jahren läuft das Projekt unter dem Namen "Zündstoff" und genauso lange ist Michaela Noll, die sich sichtlich über Simons Erfolg freut, Schirmherrin. Mit 82 Prozent erfolgreich reintegrierten Schülerinnen und Schülern weist Zündstoff eine außerordentlich gute Erfolgsbilanz auf. Die Teilnehmer sind in den letzten Jahren jünger geworden, weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass eine Ausschulung ohne Abschluss den Einstieg in eine positive Erwerbsbiografie fast aussichtslos macht. Das Projekt finanziert sich aus Förderungen vom BUND und aus dem europäischen Sozialfond.
Wenn etwas fehlt, springen Dr. Erhard Tönjes und Knut Stein von der Jugendstiftung ein. So etwa in der Vergangenheit als die Mittel für einen Englischlehrer fehlten. Sie finanzieren auch die Hälfte der Kosten des Anti-Gewalt-Trainings der SKFM. "Im Projekt hat sich indes in den letzten Jahren etwas verändert. Die Teilnehmer werden jünger und heute sind sie weniger von Aggression als von Depression befallen", beschreibt Anja Weyers, die als Sozialpädagogin die Jugendlichen begleitet, den Wandel. "Zündstoff — die zweite Chance, wird als Projekt mehr denn je gebraucht, um jungen Menschen und auch deren oft verzweifelten Eltern eine Perspektive zu bieten." ergänzt Karin Trost, die das Projekt von Beginn an leitet.
Simon, der im kommenden Jahr mit dem Abschluss FOR eine Ausbildung zum Schreiner oder Tischler beginnen möchte, freut sich übrigens über jeden Hinweis für eine mögliche Bewerbung. An Motivation mangelt es bei ihm auf keinen Fall. Und die Noten stimmen auch. Interessierte Betriebe können über das SKFM in Erkrath Kontakt zu ihm aufnehmen.